Dysgrammatismus

Was bedeutet „Dysgrammatismus“?

Der „Dysgrammatismus“ (altgr.: dys = schlecht [hier = Fehl-], gramma= Buchstaben [hier = -schrift]) ist eine Grammatikerwerbsstörung und somit ein Teilbereich einer Sprachentwicklungsstörung.
Es bedeutet, dass Kinder grammatikalische Regeln bei der Bildung von Sätzen und der Beugung von Wörtern falsch anwenden und somit nicht in der Lage sind grammatikalisch, morphologisch und syntaktisch korrekte Sätze altersgemäß zu bilden.

In der Sprachentwicklung eines Kindes ist es normal, dass oft noch Fehler im Bereich der Grammatik gemacht werden. Dennoch sollten Kinder in einem Alter von vier bis fünf Jahren weitgehend Sätze grammatikalisch richtig sprechen können. Man spricht dann von einem „Dysgrammatismus“, wenn Kinder bestimmte Strukturen nicht erwerben oder sie sich in der Anwendung der Strukturen erkennbar von anderen Kindern unterscheiden.

Welche Ursachen kann es haben?

  • Es spielen oft mehrere Faktoren bei einem „Dysgrammatismus“ zusammen.
    Ein „Dysgrammatismus“ kann ohne erkennbare Ursache bestehen
    oder er tritt im Zusammenhang mit
  • geistiger Behinderung
  • neurologischen Erkrankungen
  • Entwicklungsstörungen der Wahrnehmung, der Konzentration oder
  • als Folge von Hörschädigung
    auf.

Als Ursache werden diskutiert:

  • eingeschränktes auditives Arbeitsgedächtnis und Auditive Wahrnehmungsstörungen
  • andere spezielle Defizite bei der Sprachverarbeitung
  • gestörte Zeitverarbeitung, d.h. die Fähigkeit zur sequenzierten Erfassung von zeitlich linear angeordneten Reizen
  • gestörte Informationsverarbeitung z.B. Verlangsamung im Strukturieren von eingehenden Reizen
  • sprachliches Angebot ist ungeeignet

Welche Auffälligkeiten zeigt das Kind?

Bereich Morphologie:

  • „Du fahrt Fahrrad.“, „Er baden.“ → Fehlendes oder fehlerhaftes Angleichen des Verbs am Subjekt (Subjekt-Verb-Kongruenz) (oft wird der Infinitiv oder der Verbstamm verwendet; die Markierung der 2. Person Singular durch -st bereitet Schwierigkeiten) → Verben werden falsch konjugier
  • „Ich habe einen Apfel geesst, „Ich habe das Blatt geschneidet.“ → fehlende oder falsche Zeitbildung
  • „Da sind zwei Vogels.“, „Ich möchte zwei Kiwi essen.“ → fehlende oder fehlerhafte Verwendung von Pluralmarkierungen (Mehrzahl)
  • „Das gehört die Oma.“ → Die Fälle (Kasus) werden falsch verwendet (Allerdings ist der Dativ auch bei vielen unauffällig entwickelten Kindern noch lange unsicher)
  • „Die Haus“ → Die Artikel (Genus) werden falsch verwendet oder es wird ein neutraler Platzhalter wie „de“ verwendet

Bereich Syntax:

  • verzögerter Übergang von Einwort- zu Mehrwortäußerungen
  • einfache Sätze, kurzer und starrer Satzbau → es werden oft keine Nebensätze gebildet
  • „Ich kletter Baum“ → Funktionswörter werden ausgelassen (z.B. Präpositionen, Konjunktionen, Artikel…)
  • „Mein Freund kommt heute bei mir.“ → Präpositionen werden nicht oder falsch verwendet
  • „Ich Auto fahren“ → Das Verb steht hinten im Satz → Wortstellungsfehler
  • Es werden nicht alle Satzarten (Fragesatz, Aussagesatz…) benutzt, z.B. werden keine Fragen gestellt
  • Textgrammatische Fähigkeiten sind eingeschränkt
  • „Die Katze wird von dem Hund gejagt“ → es wird nicht verstanden wer wen jagt → Verständnis z.B von Passiv schwierig
  • Satzstrukturen und W-Fragen werden nicht verstanden

Wie ist die Prognose?

Spätestens bei der U9 wird vom Kinderarzt festgestellt, wie der Stand der Sprachentwicklung des Kindes ist. Oft bemerken es auch Eltern oder Erzieher, dass ein Kind mehr Schwierigkeiten im Grammatikerwerb hat, als andere gleichaltrige Kinder.

Bei einem „Dysgrammatismus“ kommt es selten zu einer Spontanremission/Selbstheilung, weshalb dieser behandelt werden sollte.
Wie der Verlauf einer Behandlung ist, ist nicht vorhersehbar. Allerdings sollte eine logopädische Therapie frühzeitig stattfinden, damit Defizite aufgeholt und beispielsweise Schwierigkeiten in der Schule (z.B. schriftliche Formulierungsfähigkeit) vermieden werden können.

Wie sieht die Therapie aus?

Nach einer Diagnostik werden Zielstrukturen ausgewählt und eine Reihenfolge festgelegt. Somit kann eine Therapie mit ausgewählten Therapiemethoden, wie z.B. „PLAN“ nach „Kauschke und Siegmüller“, kindgerecht beginnen. Hierfür wird geeignetes sprachliches Therapiematerial ausgewählt.

Quellen:
Sprachentwicklungsstörungen, Simone Kannengieser
Kauschke und Siegmüller
http://symptomat.de/Dysgrammatismus#Aussicht_.26_Prognose
http://symptomat.de/Dysgrammatismus#Ursachen